Gesellig, interessiert, expressiv – so geht Düsseldorf die Transformation an
04 Okt 2023
NRW
Banken sind Aktivposten beim nachhaltigen und digitalen Umbau
Ist Deutschland wieder „der kranke Mann Europas“? Diese Frage hat die britische Wochenzeitung „The Economist“ vor wenigen Wochen aufgeworfen und damit eine breite Debatte im Land angestoßen. Auch hierzulande überbieten sich gefühlt die negativen Schlagzeilen nahezu täglich. Ja, wir haben vor allem strukturelle Defizite, die unsere Wirtschaft hemmen. Wir können zum kranken Mann Europas werden, wenn wir diese strukturellen Defizite jetzt nicht endlich angehen und uns weiter in den Weltuntergang hineinsteigern. Denn die Lage ist bei weitem nicht so hoffnungslos, wie sie manchmal dargestellt wird. Was unser Land deshalb noch braucht, sind mehr Zuversicht und Optimismus – sowie Investitionen, Innovationen und Mut für Veränderungen.
Der Finanzplatz Düsseldorf ist das beste Beispiel für eine Region, die auch dadurch gut aufgestellt ist, weil sie durch ständigen Wandel Veränderungen aktiv gestaltet. Die nordrhein-westfälische Landeshauptstadt ist einer der erfolgreichsten Wirtschaftsstandorte in Europa. Die Attraktivität setzt sich aus Faktoren wie der guten Lage mitten in Europa mit einem starken Einzugsgebiet über das Rheinland bis ins Ruhrgebiet, der größten Unternehmensdichte Deutschlands mit einer hohen Internationalität und nicht zuletzt dem Kultur-, Sport- und Freizeitangebot zusammen. Gerade sind die weltweit beachteten Invictus Games zu Ende gegangen und haben den Ruf als Sportstadt betont.
Die Wirtschaftszahlen sprechen für sich: Knapp 38000 Unternehmen und über 550 Start-ups haben hier ihren Sitz, mit einem vielfältigen Branchenmix, der Synergieeffekte, Innovationsfähigkeit und – das hat die Pandemie gezeigt – Resilienz gegen Krisen schafft. Die sechstgrößte Stadt Deutschlands ist die dynamischste Location für chinesische Unternehmen und Heimat der größten japanischen Business Community in Europa. Über 4 600 Unternehmen aus 150 Nationen sind hier angesiedelt, 40% aller ausländischen Direktinvestitionen in Nordrhein-Westfalen erfolgen hier, weitere sind in der Pipeline. Als Messestandort ist die Stadt am Rhein zudem eine Top-Destination für über 20 internationale Leitmessen.
Die Gründe für diese wirtschaftliche Stärke liegen in der ständig weiterentwickelten Diversifizierung, die im Wettbewerb der Wirtschaftsstandorte um Investitionen, Schaffung von Arbeitsplätzen und den daraus resultierenden Steuereinnahmen Vorteile bringt und für langfristige Stabilität sorgt. Die Stärken Düsseldorfs liegen bekanntermaßen in seiner Internationalität, der Lebensqualität, aber auch seiner Innovationsfähigkeit. Die Düsseldorfer Marketing-Gesellschaft hat daraus eine Markenkampagne entwickelt, die der „Persönlichkeit“ Düsseldorf diese Charaktereigenschaften zuschreibt: Gesellig, interessiert, expressiv, zuversichtlich. Das ist wohl eine treffende Beschreibung, denn die herausragenden Standortvorteile Düsseldorfs werden immer wieder an vielen Stellen ausgezeichnet. So belegt Düsseldorf Platz 6 unter den attraktivsten Großstädten der Welt und ist das beliebteste Ziel für Expats in Deutschland. Die Globalität zeigt sich mit dem 3. Platz beim fDi Large European City Ranking Top 10. Ökonomisches Potenzial“ und dem 4. Platz im Bereich „Wirtschaftsfreundlichkeit“.
Daraus hat die Stadt eine Zukunftsstrategie mit sechs Handlungsfeldern formuliert: Ein Fokus liegt auf „Innovation/Tech“, ein weiterer auf „Handel“ (mit dem „Leuchtturm“ Königsallee), dann „Mode, Beauty und Lifestyle“, sowie das „Grüne und Smarte Düsseldorf“ und schließlich „Internationalität“. Um die Stadt also zukunftsfähig auszubauen, bedarf es neben den genannten Standortfaktoren noch Einiges mehr: Das frühzeitige Erkennen von Trends, vorausschauende Planung, den Mut zu Entscheidungen und vor allem ein gutes Netzwerk von Stakeholdern. Das ist eine gute Grundlage, wenn wie jetzt sich Konjunktur und Prognosen eintrüben und Herausforderungen wie hohe Energiepreise oder der Fachkräftemangel bewältigt werden müssen. Düsseldorf ist Veränderungen aktiv angegangen und konnte sich damit immer – auch in Krisenzeiten – anpassen.
Dass diese Strategie schon jetzt erste Früchte zeigt, spiegelt der IHK Konjunkturbericht wider, denn: Die Düsseldorfer Wirtschaft sieht die Lage weniger negativ. Die Geschäftslage sei stabil, die Situation zwar nicht gut, aber zufriedenstellend. Der Handel sei „eigentlich nicht schlecht“ durch die Krise gekommen, Tourismus und Messegäste seien zurückgekommen, in manchem Luxussegment laufe es gut. Die Zahl der Gründungen in Düsseldorf sei trotz bundesweitem Negativtrend stabil geblieben. Das lockt auch Investoren an, die Landeshauptstadt ist ein attraktiver, funktionierenden Finanzplatz. Rund 50 private Banken sind im Bankenverband NRW zusammengeschlossen, darunter zahlreiche globale Großbanken. Sie stehen für ein Geschäftsvolumen von über 240 Mrd. Euro, damit ist Düsseldorf einer der führenden Bankenplätze in Deutschland. Die Internationalität zeigt sich auch hier: Rund die Hälfte der hier ansässigen Kreditinstitute gehört zu ausländischen Muttergesellschaften, rund 90 Prozent der Exportfinanzierung läuft über Konten privater Banken.
Als nächstes will Düsseldorf die Transformation zu mehr Digitalisierung und Nachhaltigkeit angehen. Sie ist der Schlüssel für die weitere Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit der Stadt. Dabei geht es nicht nur um mehr Nachhaltigkeit, auch Themen wie Wohnen und Mobilität stehen auf der Agenda. Der Kreditwirtschaft fällt dabei eine besondere Rolle zu, sie hat sozusagen ein Mandat der EU bekommen, die seit Jahresbeginn in Kraft getretene Taxonomie umzusetzen. Auf inzwischen über 80 Mrd. Euro jährlich wird das Investitionsvolumen allein für NRW geschätzt. Das ist eine Aufgabe, die die Banken nicht alleine schaffen werden, hier ist der enge Schulterschluss zwischen Politik und Wirtschaft notwendig. Die Politik muss wirtschaftsfreundliche Rahmenbedingungen schaffen, unter anderem die Beschleunigung von Genehmigungen, mehr Planungssicherheit sowie eine Vereinfachung des Bürokratie- und Regulierungsaufwands. Die Wirtschaft ist stark genug, vieles aus eigener Kraft zu finanzieren, es braucht aber mehr private Investoren und den Kapitalmarkt – zum Beispiel über die Börse Düsseldorf.
Unsere Mitgliedsinstitute sind gerade dabei, die Taxonomie-Vorgaben in ihre Kreditprüfungsprozesse zu implementieren und die für das neue ESG-Rating erforderlichen Daten bei ihren Unternehmenskunden zu erheben. Dabei stehen die kleinen und mittelständischen Firmen im Fokus, weil hier der Beratungsbedarf höher ist und die Unternehmer mehr Unterstützung benötigen. Der Bankenverband hat dazu jüngst einen ersten Katalog an KPls und Musterfragen zu Nachhaltigkeitsaspekten zur Orientierung über den für Banken wesentlichen Grundbedarf an Daten als Debattenbeitrag veröffentlicht. Für alle Unternehmen wird es jetzt höchste Zeit, sich mit der Taxonomie zu beschäftigen.
Die Kreditwirtschaft ist mit der Landesregierung schon frühzeitig in einen Dialog eingetreten, wie die Transformation in NRW schneller und einfacher vorangetrieben werden kann. Herausgekommen ist ein Maßnahmenpaket, dass in dieser Form bundesweit einmalig ist. Im Zentrum steht die Finanzplatzinitiative Fin.Connect.NRW, die die Vernetzung zwischen Stakeholdern wie Betrieben, der Kreditwirtschaft, Versicherungen sowie weiteren Akteuren und Investoren stärken soll. Auf dieser Plattform sollen die Akteure passgenaue Finanzierungsinstrumente für die jeweiligen Geschäftsmodelle erhalten.
Hinzu kommt eine Informationskampagne, um die Awareness für das Thema zu erhöhen und insbesondere KMUs über Notwendigkeiten, aber auch Finanzierungslösungen der Taxonomie zu informieren, die der Bankenverband NRW bereits gemeinsam mit der IHK NRW, der Energy4Climate und der NRW. BANK gestartet hat. Mit der NRW.BANK erarbeiten Förderberater privater Banken entsprechende Förderinstrumente, bei dem bestehende Förderprogramme um ESG-Anforderungen ergänzt werden sollen. Das Programm „Mittelstand Innovativ & Digital“ (MID) soll um Nachhaltigkeitsgutscheine zur Inanspruchnahme von Beratungsleistungen im Bereich nachhaltiger Geschäftsmodelle ergänzt werden. Schließlich sollen in NRW zusätzliche Investitionsanreize durch eine Absicherung der Transformationsfinanzierung bei KMU sowie im größeren Mittelstand, etwa durch Haftungsfreistellungen und Bürgschaften, geprüft werden.
Die digitale und nachhaltige Transformation ist für NRW eine große Chance, wie der Standort zukunfts- und wettbewerbsfähig bleiben kann. Die Wirtschaft wird von diesem Strukturwandel profitieren, mit mehr Effizienz und Synergien, einer besseren Resilienz und Reputation, weniger Kosten, dafür mehr Rendite. Diese Vorteile müssen stärker herausgestellt werden. Und auch, dass es keine Alternative gibt. Die Grundlagen sind gelegt, die Wirtschaft muss sich jetzt auf ihre Stärken besinnen und investieren, um Innovationen zu entfesseln. Die Politik muss dabei vorangehen. Düsseldorf macht es vor, wie durch Engagement und Zusammenarbeit vor Ort vieles bewegt werden kann.
ZENIT GmbH
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Gastbeitrag von Thomas Buschmann, Vorsitzender des Bankenverbands Nordrhein-Westfalen, erschienen in der Börsen-Zeitung Spezial am 27.09.2023
Quelle: Fin.Connect.NRW Homepage